Trotzkraft
Titus Reinmuth spricht live im "Glashaus" in Paderborn beim WDR 2 "Weihnachtswunder". Deshalb gibt es hier noch kein Audio zum Nachhören. Darum wird es gehen:
Das ist für mich Advent: wenn Licht ins Dunkel kommt! Ich mag das Kerzenlicht sehr, weil es warm ist und flackert. Wir haben zuhause einen schlichten Adventskranz mit vier dicken roten Kerzen auf dem Esstisch und dazu auch mal einzelne Kerzen auf dem Couchtisch oder auf der Fensterbank. Hauptsache warm und hell.
Der Adventskranz hatte ja ursprünglich sogar über 20 Kerzen, je nach dem wie viele Tage zwischen dem ersten Advent und Weihnachten gelegen haben. Die Erfindung geht auf einen evangelischen Pfarrer und Sozialpädagogen zurück, Johann Hinrich Wichern. Der hat vor knapp 200 Jahren das „Raue Haus“ in Hamburg gegründet. Das waren Wohngruppen für Straßenkinder. Wichern hat dann ein großes Wagenrad genommen und ganz viele Kerzen darauf angebracht, vier weiße für die Adventssonntage und viele rote für die Tage dazwischen. Dann hat er die Kinder jeden Tag zusammenholt, um die nächste Kerze anzuzünden – großartig!
Licht ist für mich heute eine Art Trotzkraft in dunklen Zeiten. Es ist ja nicht nur die dunkle Jahreszeit, die nach Licht ruft. Bei vielen ist auch die Stimmung gedrückt. Bei mir auch. Es sind eher dunkle Zeiten. Wenn ich Bilder sehe aus der Ukraine oder dem Nahen Osten, wo jeden Tag Krieg ist, dann brauche ich diese Trotzkraft, eine Art inneres Flackern, was ich dem entgegenstellen kann. Dann glaube ich, Gott ist da nicht einfach weg, sondern ist genau da, wo es dunkel ist. „Gott will im Dunkel wohnen und hat es doch erhellt“ ist eine Liedzeile aus einem Adventslied, das ich sehr mag.
Und wenn meine eigene Kraft reicht, dann versuche ich, es bei anderen etwas heller zu machen: die alte Freundin anrufen, die sich endlich von ihrem Mann getrennt hat, die Nachbarn auf einen Glühwein einladen, die in diesem Jahr jemanden verloren haben. Das können Lichtmomente sein. Manchmal Trotz, manchmal Trost. Und immer wird es für einen Moment heller. Das ist für mich Advent.
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