Süß statt bitter: Faire Orangenaktion unterstützt Erntehelfer
Bei der fairen Orangenaktion „süß statt bitter“ werden Bio-Orangen direkt bei den Anbauenden in Italien bestellt. Die Aktion in der Adventszeit setzt ein Zeichen gegen die Ausbeutung der Wanderarbeiter, die unter menschenunwürdigen Bedingungen die Früchte ernten. Zum zweiten Mal beteiligt sich die evangelische Kirchengemeinde in Köln-Widdersdorf daran und hat faire Orangen bestellt.
[caption id="attachment_6015" align="alignright" width="225"] Gisela Theis ist Umweltbeauftragte der evangelischen Kirchengemeinde Ichthys in Köln und hat die faire Orangenaktion in ihrer Gemeinde organisiert[/caption]
In der Woche, in der die fairen Orangen aus dem italienischen Ort Rosarno geliefert werden, wächst bei Gisela Theis die Spannung: Kommt die Lieferung pünktlich zum vereinbarten Termin an? Können die Abläufe wie geplant eingehalten werden? Die Umweltbeauftragte der Evangelischen Kirchengemeinde Ichthys im Kölner Stadtteil Widdersdorf hat gut vorgesorgt und beim Liefertermin Ende November etwas Puffer eingeplant. Trotzdem ist sie erleichtert, als der Lieferwagen die Scheune der Solidarischen Landwirtschaft Köln erreicht hat. Dort werden die Orangen zwischengelagert, abgewogen und verpackt für ihren Verkauf, etwa beim Adventsbasar der Kirchengemeinde.
Der Preis für die Orangen deckt kaum deren Produktionskosten
Zum zweiten Mal initiiert Gisela Theis die faire Orangenaktion in Köln-Widdersdorf. Bei der Aktion werden Bio-Orangen über den Verein SOS Rosarno direkt bei Bauern und Bäuerinnen in Kalabrien und ohne die Zwischenstufen des Handels bestellt. Der Verein hat es sich zur Aufgabe gemacht, die prekären Lebens- und Arbeitsbedingungen der Anbauenden und der Erntehelfer in Rosarno zu verbessern. Denn der Preis, den die Supermarktketten den Kleinbäuerinnen und -bauern für ihre Ernte bezahlen, deckt kaum deren Ausgaben für die Produktion, heißt es auf einer Webseite der westfälischen Kirche, die über das Projekt informiert. Noch weniger bleibe für die Wanderarbeiter übrig, meist Geflüchtete aus afrikanischen Ländern, die von November bis April bei der Ernte helfen.
Anbauende und Erntehelfer sollen fair entlohnt werden
SOS Rosarno will dem etwas entgegensetzen und Produktionsketten nach dem Prinzip des Fairen Handels aufbauen. Der direkte Kontakt zu den Einkaufsgemeinschaften soll den Anbauenden einen fairen Preis für ihre ökologisch angebauten Orangen ermöglichen. Und auch die Erntehelfer sollen fair für ihre Arbeit bezahlt werden: Sie werden über reguläre Arbeitsverträge beschäftigt und bekommen Tariflöhne ausgezahlt. Das Prinzip hat Gisela Theis überzeugt: „Die Orangenaktion ist ein sehr einfaches Mittel, direkt etwas zu bewirken und konkret Menschen zu helfen“, erklärt sie, warum sie sich engagiert. „Es ist ein gutes Gefühl zu wissen, dass das Geld eins zu eins bei den Menschen ankommt.“
Den Erlös aus dem Verkauf geht an „Mediterranean Hope“
Den Erlös aus dem Verkauf der Orangen spendet die Kirchengemeinde zudem an „Mediterranean Hope“, dem Geflüchtetenprogramm des Bundes der evangelischen Kirchen in Italien. „Mediterranean Hope“ ist ebenfalls vor Ort mit verschiedenen Projekten aktiv. Zum Beispiel mit dem „Haus der Würde“. Das Wohnheim bietet Wanderarbeitern, die sonst die Wintermonate über in Zelten oder Wellblechhütten schlafen müssten, eine menschenwürdige Unterkunft. Ein weiteres Problem sind die langen Wege zu den Obstplantagen, die die Erntehelfer meist zu Fuß oder mit dem Fahrrad im Dunkeln zurücklegen müssen. Da es auf den unbeleuchteten Straßen immer wieder zu Unfällen kommt, wurden durch das Projekt „Lichter auf Rosarno“ Fahrräder der Erntehelfer mit Lampen ausgestattet.
Unterstützung bei der Organisation fairer Orangenaktionen
Erfahren hat Gisela Theis von der Orangenaktion durch einen Mitarbeiter der westfälischen Landeskirche, den sie vor zwei Jahren auf einer Konferenz zu Themen des fairen Handels kennenlernte. Die Evangelische Kirche von Westfalen hat die Aktion, bei der über den Verein SOS Rosarno Orangen bestellt und der Verkaufserlös an „Mediterranean Hope“ gespendet wird, unter dem Motto „Süß statt bitter“ vor einigen Jahren ins Leben gerufen. Seitdem berät das oikos-Institut für Mission und Ökumene der westfälischen Kirche Gemeinden und kirchliche Einrichtungen, die eine Aktion starten wollen. Auch Gisela Theis hat dort Unterstützung bei der Planung der ersten Orangenaktion im vergangenen Jahr erhalten. Jetzt hilft sie mit ihren Erfahrungen und vorhandenen Strukturen anderen Abnehmern in der rheinischen Kirche.
Akquise ist eine der Hauptaufgaben bei der Orangenaktion
Neben evangelischen und katholischen Gemeinden sowie weiteren Akteuren im Kölner Raum haben auch die evangelischen Kirchengemeinden in Velbert am Niederrhein und Büchenbeuren im Hunsrück über Gisela Theis in diesem Jahr Orangen bestellt. Auch das Düsseldorfer Landeskirchenamt hat Zitrusfrüchte geordert. Die Menge wurde bei den Beteiligten im Vorfeld abgefragt und dann an SOS Rosarno weitergeben. „Die Akquise ist eine der Hauptaufgaben bei der fairen Orangenaktion“, erklärt Gisela Theis. Hier liege es an jedem selbst, wie und wo überall Werbung gemacht wird. Zum Beispiel auf Social-Media-Kanälen oder im Gemeindebrief – oder über Mund-zu-Mund-Propaganda. „Ich habe alle meine Bekannten mit den fairen Orangen genervt“, erzählt Gisela Theis und lacht.
[caption id="attachment_6016" align="aligncenter" width="650"] Drei Paletten mit Kisten voller Orangen und auch Zitronen sind in diesem Jahr nach Köln geliefert worden.[/caption]
Insgesamt drei Paletten faire Orangen wurden diesmal bestellt
Die Mühe hat sich gelohnt. Im Vergleich zum Vorjahr ließ sich die Nachfrage noch einmal steigern. Insgesamt drei Paletten Orangen beziehungsweise 168 Kisten mit einem Gewicht von 1,68 Tonnen sind in diesem Jahr an Bestellungen zusammengekommen und werden von einer eigenen Spedition aus Rosarno an die verschiedenen Lieferadressen gebracht. „Neben Orangen sind dieses Mal auch zwölf Kisten Zitronen dabei“, erzählt Gisela Theis und verrät, dass sie für sich selbst noch eine Kiste Granatäpfel und eine Kiste Mandarinen bestellt hat – zum Ausprobieren.
Die fairen Orangen werden beim Adventsbasar verteilt
Abholen können die Bestellerinnen und Besteller aus der evangelischen Ichthys-Kirchengemeinde ihre Ware beim Basar am ersten Adventswochenende. Das mache die Verteilung nicht nur einfacher, sondern steigere auch den Umsatz der anderen angebotenen Waren des Basars, schildert Gisela Theis einen positiven Nebeneffekt. Bis es soweit ist, steht zwar noch ein Stück Arbeit bevor, aber auch hier hat Gisela Theis vorgesorgt und einige helfende Hände für das Abwiegen und Abpacken der Früchte organisiert. Und für den Zeitpunkt, wo alles erledigt ist, hat sie auch eine Idee: die süßen und fairen Orangen genießen. „Ich freue mich schon auf meinen Tee, in den ich dann die Orangenschalen reintun kann.“
Faire Orangenaktion
Die Internetseite www.faire-orangen.de bietet umfangreiche Informationen über die Situation der Bauern und Wanderarbeiter im italienischen Rosarno, die Arbeit von SOS Rosarno und Mediterranean Hope. Darüber hinaus finden sich auf ihr Informationen und Hilfestellung für Akteure, die eine eigene Orangenaktion starten wollen und Bildungsmaterialien, um über die Situation vor Ort zu informieren. Fragen rund um die faire Orangenaktion „süß statt bitter“ beantwortet Katja Breyer vom oikos-Institut für Mission und Ökumene der Evangelischen Kirche von Westfalen, das die Internetseite betreibt.