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13.08.2020

Mit Gott überspringe ich Mauern – Jahrestag Mauerbau

Kirche in WDR3 | 13.08.2020 | 00:00 Uhr

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Guten Morgen,

heute erinnern wir uns an den Bau der Berliner Mauer.

Vor 59 Jahren, am 13. August 1961 begann der erste Spatenstich. Das rund 155 Kilometer lange Bollwerk zerschnitt die heutige Hauptstadt Berlin mehr als 28 Jahre.

Die Teilung endete erst mit dem Fall der Mauer am 09. November 1989.

„Die Mauer muss weg“ riefen unzählige Menschen damals im Chor.

Und es kommt mir manchmal noch immer wie ein großes Wunder vor, dass es die Mauer zwischen den beiden deutschen Staaten nicht mehr gibt.

Mauern bieten Schutz, geben Sicherheit und Geborgenheit.

Stadtmauern zum Beispiel – sie umringten im Mittelalter die Städte, um sie und ihre Bewohner vor Feinden zu schützen. Staumauern, Kaimauern oder Deiche – sie verhindern, dass das Wasser eindringt oder halten es in einem Stausee fest.

Unverrückbar stehen Mauern da. Fest und stabil.

Oft können Mauern ein Hindernis sein.

Dann sperren sie aus und sperren ein, nehmen Freiheit weg.

Und manchmal sind sie auch selbstgemacht.

Wenn jemand eine Mauer um sich aufbaut, niemanden mehr an sich heran lässt, nichts von sich zeigt. Vielleicht, um nicht verletzt zu werden.

Die Mauern in den Köpfen zwischen Menschen, manchmal auch ein Brett vor dem Kopf. Oder die Mauer des Schweigens. „Gegen den rennst Du an wie gegen eine Mauer“, sagen wir dann manchmal.

Und es gibt es nach über 30 Jahren Mauerfall Menschen, die wünschen sich die Mauer in Berlin wieder zurück. Als Schutz vor Fremden und Eindringlingen.

Ein neuer Nationalismus macht sich breit und erstickt bürgerliche Freiheiten; baut neue Mauern auf: hier die Deutschen, dort die Migranten, hier zuerst unser Volk, dann die anderen.

„Denn mit dir, Gott, kann ich Wälle erstürmen und mit meinem Gott über Mauern springen.“

Heißt es in der Bibel, im 2. Buch Samuel (2. Samuel 22,30).

Das sind ermutigende, befreiende Worte. Sie sprechen vom Glauben an Gott, der Zuversicht verleiht und Kraft. Eine Kraft, die es mir ermöglicht, Mauern zu überwinden. Zu denen mit anderer Herkunft, anderer Religion, anderen Zielen und Anschauungen.

So wie die Menschen damals in Ostdeutschland. Ein wunderbares Beispiel dafür, was möglich ist, wenn ich fest an Veränderung glaube.

Als Kind habe ich es geliebt, auf jeden Mauervorsprung – auf jede Erhöhung am Wegesrand zu klettern und darauf zu balancieren. Aber schon bei einem Sprung über eine kleine Gartenmauer, kann ich mit dem Fuß hängen bleiben.

Vielleicht muss es ja auch nicht gleich ein Sprung sein. Eine Räuberleiter könnte schon helfen. Wenn jemand mit seinen Händen eine Steighilfe bildet, auf die ich dann mit einem Fuß aufsteige und mich hochziehen kann. Wenn ich mir also helfen lasse, weil die Mauer zu hoch ist, um sie allein zu überwinden. Von anderen Menschen oder von Gott.

„Mit meinem Gott über Mauern springen“ - ein Bild, das mir hilft.

Gott als Sprunghilfe für das, was ich überwinden möchte, eine Hürde, ein Hindernis, eine hohe Mauer. Mich aufmachen und springen muss ich dann ja immer noch selbst.

Dieses Gottvertrauen überwindet noch nicht die Mauer in meinem Kopf oder die um mich herum. Und es hilft auch dem Wunsch nach Sicherheit und Wiederaufbau der Mauer nicht gleich auf die Sprünge. Vielleicht aber macht es mein Leben leichter. Lässt mich Wege entdecken, die ich selber so nie gesehen ha?tte – auch jenseits der Mauer.

Mit meinem Gott empfange ich eine Kraft, die sta?rker ist, als meine eigene, kleine menschliche Kraft. Diese Leichtigkeit möchte ich mir bewahren und mit in meinen Alltag nehmen.

Und ich habe gerne ein Stück Mauerstein als Geschenk dabei, wenn ich in unsere Partnerkirchen in aller Welt fahre, in Erinnerung und als Mahnung an eine Mauer, die nie wieder sein darf.

Es grüßt Sie Pfarrerin Christiane Neufang aus Köln.

Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze

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