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LÖSUNGSRAUM Online-Gottesdienste: Wird "hybrid" das neue "normal"?
24. November 2020
Der erste Corona-Lockdown im Frühjahr hat allerorten Online-Gottesdienste wie Pilze aus dem Boden schießen lassen. Viele Gemeinden, Kirchenkreise und Landeskirchen haben diese Praxis auch nach dem Wiederbeginn von Präsenzgottesdiensten fortgeführt. "Wird 'hybrid' nun das neue 'normal'?!", fragte Kirchenrat Pfarrer Ralf Peter Reimann, der Internetbeauftragte der Ev. Kirche im Rheinland.
Die von der rheinischen Kirche maßgeblich mitgetragene Rezeptionsstudie "ReTeOG" hat die Eindrücke und Erwartungen der Teilnehmer:innen von Online-Gottesdiensten untersucht. Ihre Auswertung gibt wichtige Impulse für die künftige Gestaltung von digitalen, analogen und hybriden Gottesdienstformaten. Ralf Peter Reimannn stellte im LÖSUNGSRAUM die Ergebnisse der von ihm initiierten und mit begleiteten Studie vor (vgl. dazu seinen Blogbeitrag Digitale Gottesdienste – aber wie?). Im Anschluss war Raum für den fachlich-kollegialen Austausch zu den Folgen und der Relevanz der Studie für die digitale wie analoge liturgische Praxis:
- Was bedeutet „lokal“ bei digitalen Formaten?
- Welche Zukunft haben hybride Formate?
- Welche guten Erfahrungen machen Sie mit Partizipation in Gottesdiensten
(digitale und analog)? - Wie werden sich unsere analogen Gottesdienste verändern?
Einige Erkenntnisse aus den Gesprächen:
- Online-Gottesdienste müssen offenkundig kürzer sein als analoge Gottesdienste (30-45 Min.).
- Möglichkeiten zur aktiven Partizipation erwarten keineswegs alle Teilnemer:innen, im Gegenteil: 60 % geben an, darauf verzichten zu können. Zudem müssen interaktive Elemente zur Zielgruppe passen.
- Im Internet verschwimmt die Bedeutung von "Lokalität" (locality). Einerseits schätzen Menschen, die sich ihrer Kirchengemeinde oder ihrem Ort verbunden fühlen, häufig Bilder aus "meiner Kirche", womöglich mit vertrauten Akteur:innen und/oder kommunalen Persönlichkeiten (Bürgermeister:in etc.). Dafür nehmen sie dann meist qualitative Mängel in Kauf. Andererseits können sich Zugehörigkeit und "Heimatgefühle" auch über andere Aspekte einstellen, etwa eine bestimmte musikalische Ästhetik.
- Gottesdienste müssen nicht notwendig live aufgenommen werden. Auch ein vorproduzierter Gottesdienst, der auf YouTube im Premiere-Modus gestreamt und mit einem Chat begleitet wird, kann als "live" erlebt werden. Und selbst eine Gottesdienstaufzeichung, die im Nachhinein (über einen Streamingdienst oder in einer Mediathek) angeschaut wird, kann die Verbundenheit mit der Kirche und erst recht mit Jesus Christus stärken. So berichtete ein Pfarrer, dass die von ihm sonntagmorgens live geschalteten Gottesdienstaufzeichnungen vorzugsweise am Sonntagabend und auch noch im Laufe der Woche abgerufen werden.
- Auch Online-Gottesdienste erreichen nicht alle. Eine Ausdifferenzierung der Gottesdienstgemeinde ist unvermeidlich, etwa in a) eine virtuelle Gottesdienstgemeinde, b) eine TV-Gottesdienstgemeinde und c) die Besucher:innen der Präsenzgottesdienste. Diese Gemeinden mittelfristig zu verknüpfen, ist in der ohnehin schon schwierigen Zeit eine große Herausforderung.
- Menschen, die keinen Bezug (mehr) zur Kirche haben, werden aktuell nicht erreicht. Es braucht daher ein grundsätzliches Gesamtkonzept für die „Kirche digital“. Das Web 2.0 darf als Missionsraum nicht außer Acht gelassen werden. Dabei gilt es technisch mit von den professionellen AV-Medien geprägten Sehgewohnheiten mitzuhalten.
- Qualitativ anspruchsvolle Gottesdienste kann nicht jede Gemeinde produzieren, schon gar nicht auf Dauer. Das muss aber auch nicht sein. Regional oder überregional produzierte Gottesdienste sprechen womöglich nicht die treuen Kirchgänger:innen an (s. o.), können aber andere Zielgruppen erreichen.
Viele Fragen blieben an dem Abend offen, verdienen aber eine weitere Diskussion. So etwa, ob hybride Gottesdienste (bei der Menschen in einem Kirchraum und andere vor den Monitoren tatsächlich zu einer Gemeinde verschmelzen) eine Zukunft haben und wie sie gestaltet sein müssen.
Eine Themenseite Hybride Gottesdienste feiern mit weiteren Hinweisen hat die EKD-Stabsstelle Digitalisierung veröffentlicht.