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21.11.2020

Abendmahl im Netz

Kirche in WDR2 | 21.11.2020 | 00:00 Uhr

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Ich bin Judith Uhrmeister, guten Morgen

Seit die zweite Coronawelle Fahrt aufgenommen hat und man wirklich überhaupt keine Feste mehr feiern darf, bekomme ich hin und wieder einen Nostalgischen. Ich denke über früher nach. Dabei bin ich ja noch gar nicht so alt, aber ich sehne mich nach den Zeiten, in denen alles irgendwie in Ordnung war. Das war es damals natürlich auch nicht, aber von heute aus, mitten in diesem ganzen Coronawahnsinn fühlt sich das wenigstens so an. Unbeschwerte Zusammenkommen mit Wein, Chips, Bier guten Gesprächen und innigen Umarmungen. Ich verabrede mich mit meiner Freundin zum Video Chat. Wir trinken Wein und reden, reden, reden. Auch von früher. All das geht – trotz Corona.

Das war ein bisschen wie Abendmahl feiern. Im übertragenen Sinn natürlich.

Kurz bevor Jesus stirbt, da lädt er alle seine Freunde nochmal zum Abendessen ein. Ein Abschiedsessen sozusagen. An diesem Abend, als er noch quicklebendig mit ihnen isst und trinkt, feiert und klönt, da kann sich keiner vorstellen, dass schon wenige Tage später nichts mehr so sein wird wie vorher. Jesus ist tot und er und seine Freunde sind getrennt voneinander. Nicht per Videochat, Abstand oder Maske. Sondern Jesus ist gar nicht mehr da.

Die ersten Tage nach seinem Tod sind seine Freunde am Boden zerstört. Verständlicher Weise.

Sie blasen Trübsal und wenn es nicht Frühjahr gewesen wäre, es hätte auch November sein können. So grau ist ihre Stimmung. Weil sie es zuhause nicht mehr aushalten, drehen sie draußen eine Runde.

Sie reden von früher, gehen nochmal durch, was sie alles zusammen erlebt haben. Versuchen irgendwie mit dem veränderten Leben umzugehen. Das machen wir ja schließlich auch seit Monaten. Irgendwann kehren sie in ein Gasthaus ein. Und als würde Jesus selbst bei ihnen am Tisch sitzen, erinnern sie sich plötzlich an den Abend, bevor er gestorben ist.

Und dann fällt es ihnen wie Schuppen von den Augen: Jesus ist tot, aber nicht weg. Er ist da, nicht körperlich, aber geistig. Er ist immer dann da, wenn sie sich gemeinsam an ihn erinnern und seine Gedanken zu neuem Leben erwecken. Sie erheben ihr Glas auf ihn und die Zeit, die sie zusammen mit ihm erlebt haben.

Und plötzlich wissen sie. Das Leben jetzt ist ganz anders als damals. Es wird wahrscheinlich auch nie wieder so sein, wie es einmal war, aber eine Sache kann uns keiner nehmen und das ist unsere Erinnerung und die Gemeinschaft, die wir erleben, wenn wir uns bei einem guten Glas Wein oder was auch immer und einem frischen Stück Brot daran erinnern, was er uns gesagt hat. Und dann kommt ganz sicher gute Stimmung auf. Und das geht auch per Videochat. Nicht für immer, aber für eine gewisse Zeit.

Redaktion: Pastorin Sabine Steinwender-Schnitzius

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