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10.05.2021

Jugend mischt mit: Was bedeutet Partizipation eigentlich?

Artikelbild Das Partizipationsprojekt des Kirchenkreises Jülich zeichnet sich dadurch aus, dass Jugendliche nicht nur regelmäßig nach ihren Wünschen und Bedürfnissen gefragt werden, sondern auch aktiv mitgestalten können. 

Jugend mischt mit (3): Jugendlichen mehr Teilhabe in der Kirche zu ermöglichen – das ist das Ziel von vier Modellprojekten der Evangelischen Kirche im Rheinland. In unserer Serie „Jugend mischt mit“ stellen wir sie vor. Im dritten Teil blicken wir in den Kirchenkreis Jülich. Dort soll mit einer On-Off-Jugendkirche Partizipation komplett neu gedacht werden. Die Verantwortlichen sind sich einig, worauf es dabei ankommt. 

[caption id="attachment_2156" align="alignright" width="101"] Laura Offermanns[/caption]

„Nach dem Beschluss der Jugendsynode zu den Modellprojekten war für uns schnell klar: Wir wollen helfen, Partizipation neu- und weiterzudenken“, erzählt Dirk Riechert, Leiter des Jugendreferats des Kirchenkreises. Dank der landeskirchlichen Förderung sowie einem Zuschuss des Kirchenkreises habe man die Sozialpädagogin Laura Offermanns in Vollzeit einstellen können. Ihre Aufgabe: Mit Jugendlichen eine On-Off-Jugendkirche nach deren Vorstellungen aufbauen.

Jugendliche werden regelmäßig befragt

Damit das gelingt, legt Offermans Wert darauf, sie immer wieder nach ihren Wünschen und Bedürfnissen, nach ihren Hobbys und Lebensräumen zu fragen. Ihre Erfahrung dabei: Es herrscht durchaus Skepsis, mal ganz anders als gewohnt zu denken. „Aber das ist klar. Wer immer nur Kartoffeln gegessen hat, weiß ja auch nicht, wie Nudeln schmecken.“ Und manche Jugendliche seien es nicht gewohnt, gefragt zu werden. „Hier gilt es, immer wieder zu bestärken und eine persönliche Beziehung aufzubauen.“

[caption id="attachment_2162" align="aligncenter" width="650"] Die Interessen der Jugendlichen stehen im Mittelpunkt des Projekts.[/caption]

Wunsch nach mehr Bezug zur Lebenswirklichkeit

Dennoch hat Offermanns schon einiges erfahren: Kirchenferne Jugendliche halten die Kirche für deutlich versteifter als kirchennahe. Einig sind sich alle, dass lange Predigten ganz und gar nicht jugendkonform sind. „Sie wünschen sich mehr direkten Bezug zur ihrer Lebenswirklichkeit.“ Zudem hätten Jugendliche wenig zu sagen. Der einheitliche Tenor: Es muss sich etwas ändern. „Sie tun sich aber noch schwer zu sagen, was genau.“

„Wir müssen da sein, wo Jugendliche sind“

Umgesetzt werden die Ideen und Projekte als Teil einer On-Off-Jugendkirche, in der sich laut Offermanns die digitale und analoge Welt ergänzen. „Entscheidend ist, dass wir da anzutreffen sind, wo Jugendliche sind. Und das ist heutzutage vor allem auch der digitale Raum.“ Als Beispiele nennt sie Soziale Medien wie Instagram oder den Messenger WhatsApp. Gleichzeitig bleibe der analoge Raum wichtig.

[caption id="attachment_2151" align="aligncenter" width="650"] Ein Ladenlokal in Erkelenz ist als Kreativort angemietet worden.[/caption]

Neues Konzept für Konfirmandenunterricht

Die Ideen reichen von (digitalen) Jugendgottesdiensten, gemeindeübergreifenden Freizeiten und Events wie Kinoabenden sowie Kooperationen mit Schulen bis hin zu Online-Angeboten auf einem Discord-Server. „Denkbar sind außerdem hybride Veranstaltungen wie eine live gestreamte Kochshow, an der Jugendliche präsent teilnehmen“, sagt Riechert. Mit solchen Angeboten könnten kirchenferne Jugendliche angesprochen werden. „In Arbeit ist ein neues Konzept für den Konfirmationsunterricht“, berichtet Offermanns. Der wöchentliche Unterricht werde durch ein Konficamp sowie ein paar Samstagseinheiten ersetzt. „Neben dem inhaltlichen Input erfahren sie dort viel Gemeinschaft.“

Ladenlokal als „Keimzelle“

Dem Jugendpartizipationsprojekt liegt eine Art „Campus-Modell“ zugrunde. Bedeutet: Es wurde zwar ein kleines Ladenlokal in Erkelenz unweit einiger Schulen als „Keimzelle“ für Ideen angemietet. Angebote sollen aber an Orten stattfinden, an denen sich Jugendliche sammeln. Damit soll der Tatsache Rechnung getragen werden, dass der Kirchenkreis sehr weitläufig ist.

[caption id="attachment_2154" align="aligncenter" width="650"] Die Jugendlichen werden bei allen Angeboten nach ihrer Meinung gefragt.[/caption]

„Dann werden wir dem Grundthema nicht gerecht“

Nach den Angeboten wird direkt Feedback eingeholt. „Die Kritik greifen wir beim nächsten Mal auf“, sagt Offermanns. Damit solle den Jugendlichen verdeutlicht werden: Eure Meinung zählt. Für Riechert heißt Partizipation zudem, nicht zu viele Vorgaben zu machen. „Wenn wir jetzt eine Palette an Angeboten hätten, die wir den Jugendlichen vorlegen, würden wir dem Grundthema nicht gerecht werden.“ Denn Partizipation bedeute ja gerade, dass Jugendliche aktiv gestalten könnten.

Riecherts Grundsatzfrage

[caption id="attachment_2157" align="alignright" width="136"] Dirk Riechert[/caption]

Das führt Riechert zu einer weiteren Grundsatzfrage: Suchen wir junge Leute für unsere Themen oder suchen wir Jugendliche mit ihren Themen? „Im Moment versuchen wir als Kirche noch zu oft, junge Menschen zu finden, die uns helfen, Kirche so zu erhalten, wie sie ist.“ Man brauche aber Menschen, die Kirche anders gestalteten. „Dabei müssen wir es aushalten, dass sie nicht nur in Nuancen, sondern ganz anders werden kann.“

Keine Konkurrenz zur Gemeindearbeit

Das Projekt sei auch keine Konkurrenz zur Gemeindearbeit. Vielmehr sollten Ressourcen gebündelt werden. Entscheidend sei es, den Gemeinden die Angst zu nehmen, Jugendliche dadurch verlieren zu können – und ihnen die Vorteile aufzuzeigen. Beispielsweise sammelten die Jugendlichen Erfahrungen, die sie wiederum in ihrer Gemeinde einbringen könnten. Und es bestehe die Chance auf Synergieeffekte, wie Riechert am Beispiel Jugendgottesdienste zeigt: „Alle treibt die Frage um, wie sie attraktiver werden können. Warum also kein Konzept entwickeln, das gemeindeübergreifend funktioniert?“

„Jugendliche müssen Überzeugungstäter werden“

Erste Fortschritte sind laut Offermanns bereits zu erkennen: „Trotz der Startschwierigkeiten durch Corona konnten wir schon Jugendliche und Mitarbeitende in fast allen Gemeinden erreichen.“ Geht es nach Riechert, soll sich die Projektarbeit nun schnell im Kirchenkreis ausbreiten – und immer wieder weitergesponnen und evaluiert werden. „Wir müssen die Jugendlichen zu Überzeugungstätern machen und die Zukunft der Kirche gemeinschaftlich denken. Dann kann Jugendarbeit ein Vorreiter für Veränderung sein.“

Info: Die Jugendpartizipationsprojekte

In unserer Serie „Jugend mischt mit“ stellen wir die vier Modellprojekte der Kirchenkreise Gladbach-Neuss, Altenkirchen, Jülich und Kleve vor. Die Projekte gehen auf einen Beschluss der Jugendsynode 2019 zurück. Darin wurde die die Evangelische Kirche im Rheinland beauftragt, verbindliche Formen der Teilhabe junger Menschen in Gemeinden und Gremien zu schaffen. Diesen Beschluss übernahm die Landessynode 2019. „Sechs Kirchenkreise haben sich dafür beworben, in vier ist es schließlich zu einem Projekt gekommen“, berichtet Roland Mecklenburg vom Amt für Jugendarbeit der rheinischen Kirche. Los ging es im Januar 2020. „Weil Corona die Umsetzung der Projekte ausgebremst hat, ist die ursprünglich für drei Jahre angesetzte Förderung durch die Landeskirche um sechs Monate verlängert worden“, erklärt Mecklenburg. Über das Vorhaben informierte sich der neue Präses Dr. Thorsten Latzel bei einem virtuellen Treffen mit den Beteiligten.