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14.08.2020

Ihr seid weiß

Kirche in WDR2 | 14.08.2020 | 00:00 Uhr

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Es sei so anstrengend, ständig erklären zu müssen, was es bedeutet schwarz zu sein. So als müsse man sich für seine eigene Existenz permanent rechtfertigen, sagt der Journalist Malcolm Ohanwe. Und schlägt vor, wir Weißen sollen uns darüber Gedanken machen, was es heißt, weiß zu sein. Und sollen darüber öffentlich sprechen. Ich tue das und zwar jetzt.

Weiß zu sein, heißt für viele sich im Besser-wisser-Modus zu befinden. Das hat was mit einem gewissen Überlegenheitsgefühl zu tun. Vielleicht kommt das noch von den Nazis. Von wegen Herrenrasse und so. Ich war mal in Afrika als Reporterin. Mit weißen Schülern und Schülerinnen. Die wollten den Schwarzen helfen, ihre Schule zu renovieren. Christen helfen Christen. Das war erschreckend. Am zweiten Tag gaben die weißen Schüler den Schwarzen Tüten von Aldi. Da war ihre Schmutzwäsche drin.

Die Weißen wissen was richtig und was falsch ist. Manche sagen, das ist gut. Da ist alles geregelt in Deutschland. Da herrscht keine Willkür und keine Clanwirtschaft.

Clan klingt auch gar nicht so weiß. Manchmal wundere ich mich. Plötzlich tauchen die Namen der Kinder auf, deren Väter ich kenne. Im Sender, in der Kirche, im Unternehmen. Mit Clanwirtschft hat das nichts zu tun, sagen sie.

Weiße Haut reagiert auf Sonne anders als dunkle Haut. Weiße Haut ist sehr empfindlich. Wenn sie zu lange in der Sonne ist, wird sie rot. Manchmal bilden sich Blasen und sie pellt sich.

Die Gottesdienste der Weißen dauern 45 Minuten – zumindest die evangelischen. Das ist immer eine sehr ernste Veranstaltung. Da darf nicht gelacht und nicht getanzt werden. Der Prediger hat seine Stimme moderat zu gestalten, die Predigerin trägt einen schwarzen Mantel, damit man ihre schönen Beine nicht sieht. Weiße Christen achten nicht so sehr auf ihr Äußeres. Die inneren Werte sind wichtiger. Sie beherrschen ihre Gefühle – ob der Glaube an Gott sie glücklich macht, ist schwer zu sagen. Wenn Jesus geboren wird, kaufen sie ganz viele Geschenke für ganz viele Menschen, die sie kennen. Und sie kaufen ganz viel zu essen, am liebsten Gänse und Lebkuchen.

Wenn dem Weißen nachts ein Schwarzer begegnet, bekommt er Angst und wechselt die Straßenseite. Schwarze sind gefährlich, sagen einige. Und andere: deshalb müssen die Schwarzen weg aus dem Land der Weißen. Dass die Weißen gastfreundlich sind, kann man nicht uneingeschränkt behaupten. Ich habe eine schwarze Freundin. Neulich hat sie mich gefragt: Wer wohnt da in dem Haus. Da habe ich gesagt: Da wohnen die Alten und Kranken. Wenn ich alt bin gehe ich auch da hin. Da hat sie gesagt: Nein, das machst du nicht. Dann kommst du zu mir und ich pflege dich, meine Freundin.

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