25.01.2016

Immer auf Tuchfühlung mit dem prallen Leben

Bildunterzeile
Ihren Platz als „Vorposten der Kirche im prallen Leben“ wird Pfarrerin Ursula Welting nun räumen. Mit einem Gottesdienst wurde die Schulpfarrerin nun in den Ruhestand verabschiedet (Bildergalerie hier).  

Mit Ende des Schulhalbjahres geht Ursula Welting nach 27 Jahren Religionsunterricht am Berufskolleg Lehnerstraße in den Ruhestand. „Ich finde es nach wie vor spannend, mich mit jungen Leuten auseinanderzusetzen“, sagt Pfarrerin Welting. Geblieben ist ihr die Neugier darauf, „wie die Jungen ticken, was sie denken, was sie glauben und was sie nicht glauben.“ Vom „prallen Leben“ hat sie an jedem Unterrichtstag ab 7.30 reichlich erfahren: „Ich konnte junge Menschen aus allen Bildungsgängen kennen lernen, aus allen sozialen Schichten, mit vielfältigen religiösen Hintergründen“.

Dialoge anzuregen und selber Teil davon zu sein, ist Pfarrerin Welting wichtig, im Unterrichtsgespräch ebenso wie im interreligiösen Dialog. „Und aus der Schule habe ich nicht wenige Fragen für die Begegnung der Religionen mitgenommen“, berichtet die Pfarrerin, die den Kirchenkreis auch nach ihrer Pensionierung weiter im Mülheimer „Bündnis der Religionen“ vertreten wird. Sorgfältig fixierte Positionserklärungen reichten für diese Arbeit nicht aus. „Man muss auch die eigene Religion immer wieder neu interpretieren und erklären“, beschreibt Ursula Welting die Aufgaben des interreligiösen Dialogs. „Insbesondere gegenüber jungen Menschen sind die alten Antworten oft fehl am Platz und werden gar nicht verstanden.“

„Am schönsten war es in der Schule eigentlich, wenn ich nur einen Input geben brauchte und die Schüler das Gespräch dann in die eigene Hand genommen haben“, erinnert sich Ursula Welting. Bei Fragen wie „Gibt es Gott“ und „Wozu gibt es mich?“ ging es durchaus hoch her im Klassenzimmer. „Jede Schulstunde ist ein Abenteuer, man weiß vorher nicht, was kommt, wie die Stimmung ist. Da braucht man viel Erfahrung und Gelassenheit“, sagt die Schulpfarrerin im Rückblick. „Beides hilft mir dann zu sehen, was hinter einer Schülerfrage steht, was den Schüler dabei vielleicht bewegt.“

„Muslimische Schüler reden oft selbstverständlicher über ihren Glauben“, beschreibt die Pfarrerin ihre Erfahrung aus dem Unterricht, „während die christlichen Schüler eher etwas zurückhaltender sind, wenn es um das persönliche Verhältnis zur Religion geht.“ Die Schüler erlebten sich im Religionsunterricht gegenseitig als durchaus unterschiedlich. „Wichtig ist, eine Gesprächskultur zu etablieren“. Dazu gehört es für die Pfarrerin zu zeigen, was ihre Heimat im Glauben bedeutet und gleichzeitig auch die Heimat des Anderen anzuerkennen. „Auf dieser Basis kann man miteinander umgehen. Das ist nicht immer selbstverständlich, aber man kann es einüben.“

Geübt und gelernt hat Ursula Welting immer auch gemeinsam mit ihren Schülern. „Ich habe ja nicht Mathematik unterrichtet. Wenn es um Sinnfragen geht, kann ich nicht sagen, dass ich den Schülern definitiv im ,Stoff‘ voraus bin. Ich habe viele tolle Persönlichkeiten kennengelernt, vor denen ich meinen Hut ziehen muss. Viele Schüler wachsen unter schwierigen Umständen auf und es ist bemerkenswert, wie sie das meistern.“

Mit viel Respekt für die junge Generation verabschiedet sich die 63-Jährige aus dem Klassenzimmer: „Die Welt wird komplizierter und Erwachsensein damit auch.“ Das Berufsleben überlässt die Pfarrerin ihren Schülern mit Zuversicht: „Ich habe so viele junge Menschen kennen gelernt, die wirklich nachdenken, da mache ich mir keine Sorgen um die Zukunft!“ In der näheren Zukunft freut sich die Neu-Pensionärin darauf, dass der Wecker künftig nicht mehr um 5.30 Uhr klingelt. Einige Termine hat sie dennoch fest eingeplant: Treffen des „Bündnisses der Religionen“ behalten ebenso einen Platz in ihrem Kalender wie die Einsätze im ehrenamtlichen Team der Evangelischen Ladenkirche.

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