21.05.2022

„Schönster Herr Jesu“ (eg 403, 1-5)

Alttext
Choralandacht | Neumann

Autor: Er stellt das Tintenfass auf den Schreibtisch und legt Papier und Feder daneben. Dann öffnet er das Fenster und schaut hinaus. In den Gärten blühen die Fruchtbäume und die Sonnenstrahlen funkeln durch das zarte Grün der Blätter. Die Balkone sind geschmückt mit Hortensien und Stiefmütterchen und an den Feldern leuchtet der Klatschmohn. Und das Wintergetreide auf den Feldern taucht die Landschaft in ein sattes Grün. Auf den Giebeln der Dächer singt die Amsel ihr Lied.

Dann hört man in der Ferne Kanonendonner. Ob sich die Soldaten nähern? Nachdem der Mann lange hinausgeschaut hat, nimmt er die Feder in die Hand und beginnt zu schreiben:

Musik 1: Choral, Strophe 2

Schönster Herr Jesu (für gemischten Chor); Komposition und Text: Heinrich August Hoffmann von Fallersleben; Interpret: Vocal Concert Dresden; Leitung: Kopp, Peter; Label: BERLIN Classics; LC: 06203.

Sprecherin (overvoice)

2. Schön sind die Wälder, schöner sind die Felder in der schönen Frühlingszeit; Jesus ist schöner, Jesus ist reiner, der mein traurig Herz erfreut.

Autor: Münster 1660. Dort findet sich auf einem Manuskriptheft die erste Niederschrift eines Liedes, das später im Münsterischen Gesangbuch Eingang findet. Es trägt den Titel: „Suspirium ad Jesum“ ‚Seufzer zu Jesus‘. Während draußen der Frühling einkehrt und die Natur in vielen Farben erblüht, erlebt der uns unbekannte Verfasser eine unruhige Zeit. Die Stadt Münster befindet sich seit Jahren im Kampf mit dem Fürstbischof und wird mehrmals belagert. Dass die Natur erblüht und Menschen sterben, liegt dicht beieinander. Wahrscheinlich gehört der Verfasser zum Orden der Jesuiten. Einer Kommunität, in deren Frömmigkeit die Gegenwart Jesu im Alltag bis heute eine wichtige Rolle spielt. Der Liederdichter blickt auf eine Welt voller Spannungen – und sein Herz findet Trost bei Jesus.

Auch heute kann ich draußen viel Schönes entdecken. Die wunderbare Pracht der Schöpfung Gottes. Dann staune ich über alles, was blüht, und freue mich an der Schönheit der Natur. Dennoch überkommt mich immer wieder auch ein Gefühl der Trauer. Dann erinnere ich mich an den Verlust eines Freundes und Kollegen. Der viel zu früh gestorben ist. Mitten aus dem Leben gerissen wurde. Und der Blick ins Internet, dem modernen Fenster in die Welt, füllt meine Gedanken wieder mit traurigen Bildern eines blutigen Krieges in der Ukraine. Soldaten, die ihr Leben lassen. Ungezählte Menschen, die auf der Flucht sind.

Aber wo findet sich ein hoffnungsvoller Blick auf diese Welt?

Musik 1: Strophe 3

Sprecherin (overvoice):

3. Schön leucht der Monde, schöner leucht die Sonne, als die Sternlein allzumal. Jesus leucht schöner, Jesus leucht reiner als die Engel im Himmelssaal.

Autor: Es ist der Blick nach oben, der in der Dunkelheit der Zeit nach Licht sucht.

Ein Blick, der den Himmel sucht. Dort, so glauben es Christen auf der ganzen Welt, sitzt der auferstandene Christus und regiert. Ein Ort, wo es keine Grenzen mehr gibt. Keine Mauern und Belagerungswälle. Nichts, was Menschen voneinander trennt.

Die Geschichte dieses Liedes nimmt uns mit auf einen Weg, der Grenzen überwindet. Ganz konkret, hier auf Erden. Ländergrenzen und sprachliche Grenzen. Als schlesisches Volkslied reist es mit einer neuen Melodie nach Dänemark – in die dänische Stadt Soro. Es ist Frühling. Wir schreiben das Jahr 1850. Der Dichter Bernhard Ingemann erwartet einen deutschen Freund mit seiner Tochter. Der Besuch hat ein Lied mitgebracht, dessen Melodie und Text den dänischen Dichter berühren.

Musik 2: Choral, Strophe 4

Schönster Herr Jesu (für gemischten Chor); Komposition: Denhoff, Joachim; Text: Spee, Friedrich; Interpret: Collegium Vocale Köln; Leitung: Fromme, Wolfgang; WDR-Eigenproduktion; LC: Z2323.

Sprecherin (overvoice)

4. Schön sind die Blumen, schöner sind die Menschen in der frischen Jugendzeit; sie müssen sterben, müssen verderben: Jesus bleibt in Ewigkeit

Autor: Im Sommer des Jahres sind Soldaten durch die Stadt Soro marschiert. Es wütet der Schleswig-Holsteinische Krieg in Dänemark und Deutschland.

Der Dichter ist beunruhigt und erschreckt über die blutigen Ereignisse seiner Zeit.

Sein Freund bittet ihn, die wunderschöne Melodie mit dänischen Worten zu bekleiden.

So entsteht eine neue Fassung des Liedes, die einige Wochen später in Dänemark mit dem Titel „Pilgerlied“ abgedruckt wird.

Bernhard Ingemann schafft einen Liedtext, der stark von der Textfassung aus Münster abweicht. Bald findet auch die Übersetzung ins Schwedische weite Verbreitung des Liedes als Weihnachtslied.

Musik 3:Titel: Härlig är jorden; Komponist: Bernhard Severin Ingemann; Album: Julen Er Her; Chor: The Real Group; Label: Virgin; LC: 03098.

3. Änglar den sjöngo Först för markens herdar.

Skönt från själ till själ det ljöd: Människa,

gläd dig, Frälsarn är kommen,

Frid över jorden Herren bjöd

Sprecherin (overvoice)

3. Engel ihn sangen

Hirten auf dem Felde.

Lieblich klingt’s von Seel zu Seel:

Menschen frohlocket,

Friede auf Erden

hat uns gebracht Emanuel.

Autor: Mit Weihnachten beginnt eine neue Zeit.

Der Himmel öffnet sich auch im Winter, in der dunklen Jahreszeit und erinnert daran, dass sich Gott in Christus zu uns herunterneigt in die Gebrochenheit und Dunkelheit unseres Lebens.

Musik 3:

2. Tidevarv komma, Tidevarv försvinna, Släkten följa släktens gång.

Aldrig förstummas Tonen från himlen I själens glada pilgrimssång.

Sprecherin (overvoice)

2. Zeitalter kommen,

Zeitalter verschwinden

in des Menschengeschlechtes Gang.

Nie wird verstummen

aus Himmelshöhen

der Seelen froher Pilgersang.

Autor:Einer, der aus diesem Glauben in einer unruhigen Zeit Hoffnung schöpfte, war der deutsche Bundespräsident Gustav Heinemann in seiner Rede auf dem Essener Kirchentag 1950.

Sprecher:Unsere Freiheit wurde durch den Tod des Sohnes Gottes teuer erkauft. Niemand kann uns in neue Fesseln schlagen, denn Gottes Sohn ist auferstanden.

….Lasst uns der Welt antworten, wenn sie uns furchtsam machen will:

Eure Herren gehen, unser Herr aber kommt!“

Musik 1: Intro Instrumental

Sprecherin:

1. Schönster Herr Jesu, Herrscher aller Herren, Gottes und Marien Sohn, dich will ich lieben, dich will ich ehren, du meiner Seele Freud und Kron.

Autor: Dass wir in einer Welt, in der wieder Schützengräben gezogen werden und Hass geschürt wird, durch die Liebe zu Jesus auf eine unsichtbare Weise verbunden sein können, das habe ich in einer Videokonferenz erlebt. Ein Netzwerk von Christen aus ganz Europa hatte eingeladen, für Frieden in der Welt und besonders für Frieden in der Ukraine zu beten. Über tausend Männer und Frauen aus vielen Ländern Europas haben an diesem Treffen teilgenommen. Orthodoxe, katholische und evangelische Christen beteten in ihrer eigenen Sprache und doch verbunden durch Christus.

Mit einer Liedstrophe, gesungen aus ungezählten Sprachen der ganzen Welt endete dieses Treffen. Für mich war das ein Leuchten vom Himmel, ein Stück Paradies, das ich in dieser Verbundenheit aller Christen erfahren durfte.

Musik 3:

1. Härlig är jorden, Härlig är Guds himmel,

Skön är själarnas pilgrimsgång.

Genom de fagra Riken på jorden

Gå vi till paradis med sång.

Sprecherin (overvoice)

1. Schön ist die Erde,

schön ist Gottes Himmel,

schön der Seelen Pilgergang.

Durch all die schönen

Reiche auf Erden

ziehn wir ins Paradies mit Sang.

Redaktion: Landespfarrer Dr. Titus Reinmuth

Radioandachten ©  Radioandachten