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31.07.2021

Sollt ich meinem Gott nicht singen? (eg 325)

Choralandacht | 31.07.2021 | 00:00 Uhr

Alttext  

Wiederholung vom 03.08.2019

Autor: Es gibt Zeiten, da macht mich der Zustand der Welt rasend. Da würde ich meiner Wut gerne freien Lauf lassen und verfluche meine Friedfertigkeit. Aber bevor meine Hände dann Dinge tun könnten, die ich später ganz sicher bereuen würde, falte ich sie lieber. Dann setze ich mich irgendwo in Ruhe hin und versuche mich in nüchterner Analyse. Ich sag’s gleich: gut gelingt mir das dann nicht immer.

Ja, die Welt ist oft kalt, leer. Ungerechtigkeiten schreien zum Himmel. Ja, ich weiß doch auch: unser Leben ist nicht immer prall. Nicht immer macht es einen vor Lust seufzen. Und bitte: ohne Nackenschläge kommen wir nicht durchs Leben.

Einfach könnte ich es mir machen und mich über Gott beklagen. Ich könnte mich in die Reihe derer einreihen, die schon immer wussten: die Religion ist an fast allem Übel schuld und der Welt ginge es ohne Religion bestimmt besser. Ungezählte Male habe ich mir dann alle Argumente dafür und dagegen ins Gedächtnis gerufen. Aber in ein Klagelied über Gott kann und werde ich auch diesmal nicht einstimmen. Und wenn ich mich hundert Mal, ja tausend Mal vergeblich nach dem blauen Himmel der Erlösung ausstrecke.

Trotz allem, trotz vieler auch unschöner Erfahrungen in meinem langen Leben: mein Gottvertrauen ist geblieben. War es am Anfang auch kindlich-naiv – mit den Jahren ist es erwachsen geworden und hat sich dann und wann Unterstützung gesucht. Also: wenn ich gerade mal wieder über den Zustand der Welt, der großen und meiner kleinen, so richtig in Rage gerate - was tue ich dann? Ich lasse zum Beispiel Paul Gerhardt singen:

Musik 1: Choral, Strophe 1, Track 13 „Sollt ich meinem Gott nicht singen“, CD: Die schönsten Choräle von Paul Gerhardt, Interpreten: Sandra Diehl, Collegium vocale, Siegen, Leitung: Ulrich Stötzel, Komponist: Johann Schop, Bearbeiter: Johann Sebastian Bach; Sigfrid Karg-Elert, Texter: Paul Gerhardt, Verlag: Gerth Medien GmbH, LC.-Nr.: 13743, Label: Gerth Medien, Bestell-Nr.: 939337, EAN: 4029856393377

Sprecherin (overvoive): Sollt ich meinem Gott nicht singen? Sollt ich ihm nicht dankbar sein? Denn ich seh in allen Dingen, wie so gut er’s mit mir mein. Ist doch nichts als lauter Lieben, das sein treues Herze regt, das ohn Ende hebt und trägt, die in seinem Dienst sich üben. Alles Ding währt seine Zeit, Gottes Lieb in Ewigkeit.

Autor: Sicher. Es gibt dann den einen und die andere, die so ein Verfahren nicht gerade großartig finden. Wenn wir Angst haben und uns die Zuversicht abhandenkommt, so höre

ich dann, sollten wir nicht mit Weisheiten anderer um uns werfen – und klängen sie auch noch so schön wie die von Paul Gerhardt. Ja, es sei nicht klug, weil es nicht hilft, weil es nicht ernst nimmt. Aber es ist doch nun einmal so: alles in unserem Menschenleben währt seine Zeit. Das Gute wie das Schlimme. Dinge ändern sich, Menschen, äußere Umstände, Gefühle, Beziehungen, ja auch der Glaube. Aber in meinem Leben gibt es eine Konstante, das ist die feste Zuversicht auf Gottes treues Herz. In dem so viel Zuneigung zu mir steckt, das mich trägt und vieles ertragen lässt. „Alles Ding währt seine Zeit. Gottes Lieb in Ewigkeit.“

Danke – Paul Gerhardt.

Musik 2: Choral Strophe 2, Track 1: „Sollt ich meinem Gott nicht singen?“, CD: Paul Gerhardt|Lieder, Interpret: ERF-Studiochor, Leitung: Gerhard Schnitter, Komponist: Johan Schop, Bearbeiter: Johann Sebastian Bach, Texter: Paul Gerhardt, Verlag: ERF-Verlag, LC.-Nr.: 06314, Label: ERF, Bestell-Nr.: 88051

Sprecherin (overvoive): Wie ein Adler sein Gefieder über seine Jungen streckt, also hat auch hin und wieder mich des Höchsten Arm bedeckt, also bald im Mutterleibe, da er mir mein Wesen gab und das Leben, das ich hab und noch diese Stunde treibe. Alles Ding währt seine Zeit, Gottes Lieb in Ewigkeit.

Autor: Es gab Zeiten, da konnte ich nicht glauben, dass es mir mit Gott besser geht als ohne ihn. Es hat lange gebraucht, bis ich endlich so weit war, bis ich ihm vertrauen konnte. Das mag naiv klingen. Aber es ist nun mal so: ohne Gott, ohne meinen Glauben an seinen Schutz, an seine unbändige Lebens- und Schaffenskraft, der ich mein Leben verdanke, könnte ich dieser Welt mit all ihren Banalitäten, all ihrem Schrecken und all ihren Beschränkungen keinen Widerstand leisten. Ich hätte kein Gespür für die herrliche, grenzüberschreitende Kraft, die mir von Gott zufließt –durch meinen Glauben. Und durch ein Lied wie das von Paul Gerhardt.

Manchmal ist es besser, sich in geborgte Worte zu wickeln. Sie zeigen mir: auch andere haben gelebt, geliebt, gelacht und nachgedacht. Sie zeigen mir: ich bin nicht allein mit meinen Gedanken, meinen Gefühlen, meinem Glauben – ich bin eingebettet in die wunderbare Gemeinschaft derer, die vor mir waren, mit mir sind und nach mir sein werden. Das erleichtert vieles. Mir jedenfalls:

Musik 3: Choral, Strophe 7, Track 3: “Sollt ich meinem Gott nicht singen“ CD: "Lobet den Herren, alle, die ihn ehren" | Die schönsten Lieder von Paul Gerhardt in Bläser-Sätzen aus fünf Jahrhunderten, Interpreten: Uwe Karsten Groß, (Orgel) Westfälisches Bläserensemble, Leitung: Werner Benz, Komponist: Johan Schop, Verlag: Gerth Medien, Bestell-Nr.: 939017, LC-Nr.: 13743, Label: Gerth Medien, EAN: 4029856390178

Autor (overvoice): In meinen etwas boshafteren Augenblicken bin ich geneigt, Paul Gerhardt für einen Zyniker zu halten. Wer kurz nach dem Ende eines dreißigjährigen Krieges, 1653, ein solches Gedicht schreibt, kann halt leicht in Verdacht geraten, ein Idiot zu sein oder eben ein Zyniker. Natürlich war er beides nicht. Er konnte ertragen, was ihm das Leben aufgehalst hatte. Gott ließ ihn aus mancher Angst genesen, wie er sagt. Diese Zuversicht hat ihn nie verlassen, selbst als ihn seine Kräfte verließen. Das kann ich noch nicht so gut. Noch kann ich meine Grenzen noch nicht so einfach annehmen. Noch kann ich meine Hände nicht einfach in den Schoß legen und vertrauensvoll sagen: Gott, übernimm du; ich kann nicht mehr, nicht mehr so, wie ich es gerne hätte. Übernimm du und mach, wie du es willst. Dann wird es gut.

Paul Gerhardt konnte es.

Sprecherin: Als es mir wehe tat im Herzen und mich stach in meinen Nieren, da war ich ein Narr und wusste nichts. Dennoch bleibe ich stets an dir; denn du, Gott, hältst mich bei meiner rechten Hand. Du leitest mich nach deinem Rat und nimmst mich am Ende mit Ehren an. Wenn ich nur dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde. Wenn mir gleich Leib und Seele verschmachtet, so bist du doch, Gott, allezeit meines Herzens Trost und mein Heil. (Psalm 73, 23-26)

Musik 2: Choral, Strophe 10, Track 1: „Sollt ich meinem Gott nicht singen?“

Sprecherin (overvoive): Weil denn weder Ziel noch Ende sich in Gottes Liebe find’t, ei, so heb ich meine Hände zu dir, Vater, als dein Kind, bitte, wollst mir Gnade geben, dich aus aller meiner Macht zu umfangen Tag und Nacht hier in meinem ganzen Leben, bis ich dich nach dieser Zeit lob und lieb in Ewigkeit.

Redaktion: Landespfarrer Dr. Titus Reinmuth