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17.08.2020

Von der Leichtigkeit und den Grenzen

Beratung per Videoanruf

Artikelbild Sozialarbeiterin Heike Ickler berät seit der Corona-Krise per Videoanruf. 

Heike Ickler lacht in die kleine Webcam. Es ist ein freundliches Willkommen, das sie ihrem Gegenüber bereitet. Sie richtet noch kurz die Kamera aus und dann widmet sich ihr offener Blick dem Bildschirm ihres Computers und damit ihrem Gegenüber. Die Sozialarbeiterin hat in den vergangenen Wochen viele Erfahrungen gesammelt mit diesen Gesprächen per Videotelefonat. Sie hat die Chancen kennengelernt und die Grenzen gespürt. Sie ist mit Menschen in Lebenskrisen über den Computer ins Gespräch gekommen – während Paare und Familien in ihren Wohnzimmern saßen und sie selbst am Schreibtisch im Homeoffice. Sie hat beraten, geholfen, unterstützt. Und sie hat diese Möglichkeit zu schätzen gelernt.

Technische Voraussetzungen dank Testzugang

Lange bevor die Corona-Krise den Arbeits- und Lebensalltag der Menschen auf den Kopf gestellt hat, war das Team der Beratungsstelle für Erziehungs-, Familien-, Ehe- und Lebensfragen im Kirchenkreis an der Agger bereits über die Möglichkeiten der Digitalisierung ins Gespräch gekommen. Heike Ickler hatte an einer Weiterbildung teilgenommen und Ideen wie Beratung per Videotelefonat, Chat oder Mail mit in die Beratungsstelle gebracht. Sie hatte auch viel über das Thema Datensicherheit gelernt.

Gerade hatte der Kirchenkreis entschieden, über einen Testzugang die Software „Elvi“ kennenlernen zu wollen – als die Corona-Krise persönliche Beratung plötzlich von einem auf den anderen Tag unmöglich machte. „Von jetzt auf sofort stellten wir uns die Frage, wie wir die Beratung weiterführen können“, erzählt Heike Ickler. Und weil die technischen Voraussetzungen dank des Testzugangs nun schon bestanden und die Datensicherheit der Klienten dadurch gewährleistet war, begann das Team der Beratungsstelle auf kurzem Weg, ein Konzept zu erarbeiten.

Völlig neue Fragen

Mit Hilfe einer Cloud wurden Mitarbeitende in ihren Büros zu Hause über das System informiert. Eine Einverständniserklärung für die Klientinnen und Klienten wurde entworfen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Beratungsstelle initiierten Testläufe. „Dabei habe ich mir Fragen gestellt, die auch für mich völlig neu waren“, erzählt sie. Sollte sich der eigene Blick auf die Kamera oder auf das Gesicht des Gesprächspartners auf dem Bildschirm richten? Welches Licht ermöglicht einen guten Blick? Wie erreicht man eine gute Bild-Qualität? „Das waren Dinge, die wir lernen mussten“, sagt Heike Ickler.

Schließlich luden die Beraterinnen und Berater ihre Klientinnen und Klienten zur Beratung per Videotelefonat ein. „Die Klientinnen und Klienten sind damit ganz unterschiedlich umgegangen“, sagt Heike Ickler. Einige lehnten ab, andere freuten sich über die Möglichkeit. Nicht alle brachten die technischen Voraussetzungen mit, auch die lückenhaften Datenleitungen im ländlichen Raum machten den Videochat für viele Klientinnen und Klienten unmöglich.

Die Distanz erleichtert es, offen Themen anzusprechen

„Aber ich habe auch sehr gute Erfahrungen gesammelt“, erzählt die Sozialarbeiterin. Paare nutzten die Mittagspause im Homeoffice, um per Videotelefonat das Beratungsangebot anzunehmen. Alleinerziehende freuten sich über die Chance, auf diesem Wege im Gespräch zu bleiben. „Die Gespräche sind manchmal witzig und voller Leichtigkeit“, erzählt die Beraterin.

Ein Paar rückte vor dem kleinen Bildschirm des Handys nah zusammen. „Als ich dann fragte, ob ihnen diese Nähe überhaupt recht sei, haben wir zusammen gelacht“, erinnert sich Heike Ickler. Es habe Menschen gegeben, denen es die Distanz erleichtert habe, offen Themen anzusprechen. Und viele hätten ihr dank der Kamera an Laptop oder Handy die eigene Wohnung gezeigt und so wertvolle Eindrücke vermittelt.

Gerade beim Erstkontakt mit Klientinnen und Klienten ermöglichte ihr die Videotelefonie auch einen Eindruck vom Umgang des Paares miteinander. „Und im Vergleich zur Telefonberatung haben wir bei dieser Methode auch die Möglichkeit, Dinge zu visualisieren“, erzählt die Beraterin. Sie nutzte Fragebögen oder das White-Board der Software.

Kein Ersatz für den persönlichen Kontakt

Und doch ist Heike Ickler froh, dass sie inzwischen Klienten auch wieder in der Beratungsstelle empfangen darf – mit Abstand und den entsprechenden Regelungen. „Man braucht doch etwas Erfahrung für diese Art der Beratung“, sagt Ickler. Sie habe festgestellt, dass sie selber sich bei einigen Fragen sicherer fühle, wenn sie den Menschen gegenübersitze – etwa wenn es um die Gesprächsführung geht. „Das ist ein Prozess“, sagt sie und geht davon aus, dass sie als Beraterin mit der Zeit noch sicherer werden. Und auch die Technik, die in den vergangenen Wochen immer mal wieder streikte, entwickle sich weiter.

Den persönlichen Kontakt zu den Menschen allerdings ersetzt die neue Methode nach Ansicht von Ickler nicht – sie ergänze sie nur. Vielseitiger sei die Wahrnehmung, wenn man sich gegenüber säße. Die Dynamik sei eine andere. Und in Situationen, in denen es um eine akute Gefährdung gehe, sei persönlicher Kontakt auch unerlässlich.

Aber schon jetzt deutet sich an: Es gibt Paare, die gelegentlich auf das Online-Angebot zurückgreifen wollen. Dann könnte Beratung wechselweise persönlich und per Computer stattfinden, sagt die Beraterin. Sie sei offen für Veränderung, ergänzt die Sozialarbeiterin. Und: „Ich finde, wir müssen uns fragen: Was wird an welcher Stelle gebraucht?“