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12.05.2021

So blicken Künstlerinnen und Künstler auf die Warte-Zeit der Pandemie

Ev. Kirchengemeinde Broich-Saarn

Bildunterzeile Beitrag "2nd life" von Joachim Poths vor dem Saarner Gemeindehaus. 

Teilnehmende Künstler*innen vor dem Beitrag von Ursula Vehar an der Dorfkirche

Natalija Usakova zählt die Tage. 425 sind es, seit sie ihre Mutter zuletzt gesehen hat. Mit einer großformatigen Strichliste beteiligt sie sich als eine von zwölf Mülheimer Künstler*innen an KunstRaus, der Freiluft-Werkschau im Dorf Saarn, die in diesem Jahr unter dem Titel „Verschoben“ stattfindet. Zur Ausstellung laden die Evangelische Kirchengemeinde Broich-Saarn und die Arbeitsgemeinschaft Mülheimer Künstlerinnen und Künstler ein. Zwölf Tafeln mit Kunst sind ab sofort und bis September zwischen Kloster Saarn und Bovenaan unterhalb des Marktplatzes zu sehen. 

Das diesjährige Titelthema „Verschoben“ geht auf einen Vorschlag der Künstler*innen zurück. Pfarrer Christoph Pfeiffer von der Evangelischen Kirchengemeinde Broich-Saarn hat es gerne aufgegriffen, auch einen eigenen Himmelfahrts-YouTube-Gottesdienst gestaltet, in dem er auf die Werke eingeht. Die Bilder laden dazu ein, sich generell mit der durch die Pandemie veränderten Welt auseinanderzusetzen, sagt Pfeiffer: „Was heißt das eigentlich? Was macht das mit uns?“

"Unter der Oberfläche" von Karin Dörre an der Düsseldorfer Straße / Viehgasse.

Nicht nur die Profis unter den Künstlern haben sich mit dem Thema „Verschoben“ auseinandergesetzt. Eine dreizehnte KunsRaus-Tafel steht vor dem Saarner Gemeindezentrum. Dort sind verschiedene kreative Beiträge von Gruppenmitgliedern aus dem Netzwerk der Kirchengemeinde zu sehen. 

„Die ganze Welt muss gerade warten“, sagt Künstlerin Usankova zur Lage in der Pandemie, in der vielfach Dinge verschoben, Pläne aufgeschoben werden. „Das betrifft kleine Kinder genau so wie alte Menschen“. In ihrem Beitrag gestaltet sich das Warten jedoch nicht ganz in trübem Grau, die Zählstriche auf ihrer Liste treten in lebendigen Farben hervor: verschiedene Blautöne, Rot, Weiß und Gelb bringen etwas Abwechslung in die gezählten Tage der Pandemie. Zu sehen ist ihr Bild am Kloster Saarn.

„Ich habe so ein totales Sehnen nach heiler Welt“, sagt Vanessa Hötger-Nogala bei der Presse-Vorstellung der Kunstwerke am Saarner Gemeindezentrum, eine Vernissage findet dieses Jahr nicht statt. Vanessa Hötger-Nogala hat einen horizont-weiten Blick über das Meer auf die großformatige Ausstellungstafel gebannt. „Corona hat die Welt so klein, eng und langweilig gemacht.“ Ihr Bild „Irgendwann wieder Meer“ lässt zumindest die Blicke des Betrachters ins Weite schweifen.


"Augeschoben ist nicht aufgehoben" von Imre Videk und "Verschoben" von Heimer Schmitz (rechts) am Fußweg zwischen Holunder- und Otto-Pankok-Straße. 

Über der „Leichtigkeit des Seins“ von Ursula Vehar liegen schwarze Schatten. Menschen lachen einander an, dicht an dicht, umarmen sich. „Manches existiert nur noch in der Erinnerung“, sagt die Künstlerin über ihr Bild, das direkt an der Saarner Dorfkirche steht. Ihre künstlerisch verarbeitete Erinnerung an fröhliche und unbeschwerte Gemeinschaft ist ein verschwommenes Bild. 

Auch Uwe-Dieter Bleil hat für sein Werk ganz bewusst dunkle Farben gewählt. Ein schwarzer Himmel drückt über den Dolomiten herab. Nicht nur das vermisste Urlaubsziel, sondern „die Welt ist nun ganz anders gewor-den“, so Bleil. Für die bildenden Künstler gelte das allemal. „Viele von uns erzielen 40 bis 60 Prozent ihrer Einnahmen durch Galerieverkäufe. Aber dort ist wegen Corona kein Betrieb.“ Auch bei den öffentlichen Hilfszahlungen fielen bildende Künstler oft durch Raster. „Man muss meist abgeschlossene Verträge nachweisen, um eine Ersatzzahlung zu bekommen. Aber solche Verträge haben wir in der Regel nicht.“ 

Ein Besuch in der Saarner „Freiluftgalerie“ indes ist auch zu Coronazeiten möglich. „Sich vor der Kunst zu treffen ist eine Hoffnung, die nicht verschoben werden sollte“, so formuliert es Kunsthistoriker Gerhard Ribbrock in der Einleitung zum Ausstellungskatalog. Dort finden sich auch die Kontaktdaten der teilnehmenden Künstler, an die sich Kaufinteressierte wenden können. 

Auch die KunstRaus-Ausstellung selber wäre ohne externe Unterstützung nicht möglich. KunstRaus wird gefördert durch Greens Immobilien, die Stadt Mülheim an der Ruhr, Werbegemeinschaft Saarn, Leonhard-Stinnes-Stiftung, Edeka Paschmann, Rewe, die Sparkasse Mülheim an der Ruhr sowie durch Privatpersonen.